Kein Krieg mit Russland
NATO in ihre Schranken weisen – Sicherheit in Europa ist möglich
Die Stellungnahme von frieden-links zur Ukraine ist auch als Flyer erhältlich.
Krieg-gegen-Russland-final.pdfViel zu lange schon wird die Öffentlichkeit zugeschüttet – mit Worten: „Können wir Putin stoppen?“ fragt BILD, die FAZ sieht die „Ukraine von drei Seiten umstellt“, EU-Präsidentin von der Leyen entrollt in CNN “für den Fall einer russischen Invasion“ eine Liste drakonischer Strafen und US- Präsident Biden warnt laut Zeit vor der „ausgesprochenen Möglichkeit“ einer russischen Invasion im Februar.
Worte können zu Kanonen werden. Wer lange genug einen Krieg beschwört, schwört ihn herauf.
Wer Frieden will, muss durch die Brille des Gegenübers schauen können. Anders ist Verständigung nicht möglich.
Präsident Putin verlangt vom Westen Sicherheitsgarantien für sein Land, vordringlich: Keine weitere NATO-Osterweiterung und keine Raketenstationierungen an Russlands Grenzen. Wer Russlands Sicherheit nicht verletzen will, kann das doch gewährleisten. Oder ist das von der NATO zu viel verlangt?
Ein Blick zurück
Im September 1990 haben die alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion, mit der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik den 2+4-Vertrag unterschrieben. Auf ihn gründet sich die deutsche Vereinigung und er gilt als quasi-Friedensvertrag. In seiner Präambel verpflichten sich die Vertragspartner zum „Aufbau einer gerechten und dauerhaften Friedensordnung in Europa“. Sie erklärten sich als „ENTSCHLOSSEN, die Sicherheitsinteressen eines jeden zu berücksichtigen“. In seiner Folge löste sich 1991 der Warschauer Vertrag – das Gegenstück zur NATO – auf, nachdem der Sowjetunion zugesichert worden war, dass sich die NATO nicht ostwärts ausdehnen würde. Das ist durch Zeugnisse von Beteiligten und Schriftstücke vielfach belegt.
Diese Zusage wurde bekanntlich gebrochen. Von 1999 an wurden Polen, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Albanien, Kroatien, Montenegro, Nordmazedonien Mitglieder der NATO. 2008 wurde Georgien und Moldawien offiziell der NATO-Beitritt angeboten, diesen hat die Ukraine als Staatsziel in ihrer Verfassung verankert und wartet ungeduldig vor der Tür.
Wer bedroht wen?
Schon 1999 zeigte der NATO-Krieg gegen Jugoslawien: Auch nach dem Kalten Krieg ist Europa nicht sicherer geworden. Der KSE-Vertrag, der eine massive Abrüstung konventioneller Waffen in Europa vorsah, wurde zwar von Russland, Weißrussland, Ukraine und Kasachstan ratifiziert, aber von keinem der NATO-Staaten. Die USA haben die Verträge zur Rüstungsbegrenzung (ABM-Vertrag zu strategischen Raketenabwehrsystemen, INF-Vertrag zu atomaren Mittelstreckenraketen oder den „Open-Skies“-Vertrag) aufgekündigt, der Rüstungswettlauf ist nicht gestoppt. Im Gegenteil. Auch Russland rüstet auf, etwa mit seinen neuen Hyperschallflugzeugen. Doch auf welchem Niveau! Nach Zahlen des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI sind die USA auch 2020 wieder Weltspitze mit 738 Mrd. Dollar, das sind 40 Prozent der globalen Rüstungsausgaben, viermal so viel wie Chinas (193,3 Mrd.) und zwölfmal mehr als Russlands (60,6 Mrd.). In Europa stecken Großbritannien, Frankreich und Deutschland fast dreimal so viel in ihr Militär wie Russland.
Aufmarsch oder Manöver?
Zurzeit befinden sich die US-Streitkräfte mit denen Polens, der Baltischen Staaten und Tschechiens im Manöver Saber Strike, um ihre „Operationsreichweite entlang der östlichen Flanke der NATO zu erhöhen“. Die NATO kündigte für Juni in derselben Region das Manöver Ramstein Legacy an, nach eigenen Aussagen die größte integrierte Flug- und Raketenabwehrübung der Welt. Aktuell übt die NATO im Mittelmeer, danach in der Ostsee, die Jagd auf russische U-Boote. Im Mai/Juni probt das Pentagon unter Beteiligung von 33 000 Soldaten aus 26 Ländern die schnelle Verlegung großer Kampfverbände aus den USA nach Ost- und Südosteuropa.
Die Stationierung über 100 000 russischer Soldaten in der Nähe der Grenze zur Ukraine vermag zwar durch Provokation oder Kurzschlusshandlungen in eine militärische Konfrontation umzuschlagen, aber deutsche wie auch US-Medien berichten von Stimmen selbst aus der Ukraine, die nicht davon ausgehen, dass dort derzeit mit einem russischen Einmarsch zu rechnen sei.
Die doppelten Standards von Politik und Medien hingegen sind so abstoßend wie vernebelnd: „Die Guten“ halten auf fremden Territorien Übungen ab, fast so, als spielten sie nur, während „die Bösen“ im eigenen Land ihre Truppen aufmarschieren lassen, um ihre Nachbarn zu überfallen.
Kann ein Krieg verhindert werden?
Zwischen dem Westen und Russland ist so viel Vertrauen nachhaltig zerstört; rasch kann das nicht wieder wachsen. Zunächst geht es um akute Gefahrenabwehr:
Wer militärische Ausrüstung liefert, wird Konfliktpartei, deshalb:
- Keinerlei Waffenlieferungen an die Ukraine, auch keine Helme.
Deutschland trägt als Signatarmacht des Minsker Abkommens besondere Verantwortung, deshalb:
- ehrliche Bilanz, woran seine Umsetzung bislang gescheitert ist;
- Fordern und Fördern der verfassungsmäßigen Autonomie des Donbass und Demilitarisierung des Konflikts.
Zwischen der NATO und Russland:
- keine Militärmanöver, keine Bomber, keine Kriegsschiffe nahe der Grenze des anderen;
- keine Stationierung von atomwaffenfähigen Mittelstreckenraketen in ganz Europa;
- Rückkehr ohne Trickserei zur NATO-Russland-Akte, die eine dauerhafte Stationierung von NATO-Truppen in Osteuropa verbietet.
Frieden durch Sicherheit
Jede vertrauensbildende Maßnahme ist jetzt wertvoll. Dazu gehört die Inbetriebnahme von Nordstream 2 ebenso wie der Verzicht auf die ständigen EU-Sanktionen, dazu gehören Partnerschaften von Städten, Universitäten, großzügig geförderte Begegnungen in Kultur, Sport, Jugendaustausch. Alle Formate von Gesprächen und Zusammenarbeit sind sorgsam zu reaktivieren, bilateral und innerhalb der OSZE, des Europarats, des NATO-Russland-Rats.
So kann sich ein politischer und gesellschaftlicher Prozess hin zu einer neuen Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa herausbilden, zur nachhaltigen Lösung der Konflikte und zur Gestaltung der Zukunft. Europa ist größer als die EU und Frieden wird es ohne oder gar gegen Russland nicht geben.
#Deeskalationjetzt – für eine Umkehr
ist das öffentliche Engagement der Zivilgesellschaft und Friedensbewegung dringend erforderlich.
Berlin, Hamburg, Frankfurt/M., Düsseldorf, Essen, Bremen, Kassel, Tübingen, 31. Januar 2022
Reiner Braun, Berlin, International Peace Bureau, Kampagne Stopp Air Base Ramstein | Wolfgang Gehrcke, Berlin, Mitglied des Gesprächskreises Friedens- und Sicherheitspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung | Heike Hänsel, Tübingen, Die LINKE | Ulla Jelpke, Berlin, Mitherausgeberin von ‚Ossietzky‘, Mitglied u.a. in ‚Sea-Watch‘ | Kristine Karch, Düsseldorf, Co-Sprecherin internationales Netzwerk „No to war-no to NATO“, Kampagne Stopp Air Base Ramstein | Karin Kulow, Berlin, Nahost- und Islamwissenschaftlerin, Konfliktforscherin | Ekkehard Lentz, Bremen, Sprecher Bremer Friedensforum | Pascal Luig, Berlin, NaturwissenschaftlerInnen-Initiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit e.V. (NatWiss), Kampagne Stopp Air Base Ramstein | Alexander Neu, Berlin, Politologe | Willi van Ooyen, Frankfurt/M. Aktivist der Friedens- und Sozialforumsbewegung, Bundesauschuss Friedensratschlag, Ostermarschbüro | Norman Paech, Hamburg, emeritierter Professor für Politikwissenschaft und für Öffentliches Recht, Bündnis für Gerechtigkeit und Frieden zwischen Israelis und Palästinensern (BiP) | Karl Heinz Peil, Frankfurt/M., Friedens- und Zukunftswerkstatt e. V., verantwortlicher Redakteur des ‚Friedensjournal‘ | Christiane Reymann, Berlin, Publizistin | Werner Ruf, Edermünde, Politikwissenschaftler und Friedensforscher, Kasseler Friedensforum, Mitglied des Gesprächskreises Friedens- und Sicherheitspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung | Bernhard Trautvetter, Essen, Mitbegründer Netzwerk Schule ohne Bundeswehr NRW, Sprecher Essener Friedensforum, VVN-BdA, GEW | Winfried Wolf, Michendorf, Chefredakteur Zeitung gegen den Krieg.
https://frieden-links.de/ | https://twitter.com/FriedenLinks | https://www.facebook.com/friedenlinks.de |
Im Browser lesen: Krieg-gegen-Russland.pdf
Download: Krieg-gegen-Russland.pdf
Man sollte nicht zu viele doppelte Standards anwenden: Die Bevölkerung in Russland und die Bevölkerung in Belarus ist nach allen Umfragen gegen den Krieg und auch gegen Putin. Zu viel Solidarität mit Putin richtet sich vor allem gegen Russland und gegen die russische Bevölkerung, die unter massiven Sozialkürzungen durch Putin leidet. Der gigantische Aufmarsch an den Grenzen der Ukraine und innerhalb der besetzten Gebiete der Ukraine bedeutet auch für Russland, dass die Ausgaben für Rente und Gesundheitswesen massiv gekürzt werden mussten und weiter gekürzt werden müssen.
Es gibt nicht nur die Regierungen!
Doppelte Standards wendet die Nato an, wenn sie die illegale Installierung einer pro-westlichen ‚Übergangsregierung‘ im Februar 2014 vergessen macht, indem sie den Ausgangspunkt der Spannungen auf die Krim-Krise, die darauf folgt, bezieht. Die Legitimierung der Hoch- und Atomrüstung mit der Krimkrise zu argumentierem, das ist auch dann die Anwendung einer Doppelmoral, wenn -was die Nato-Propaganda tut- so getan wird, als sei die Krim-Krise die erste gewaltsame Grenzverschiebung in Nachkriegseuropa; das macht die türkische Landnahme auf Zypern und den Balkan-Krieg vergessen. Wir können den Frieden in Europa nur zurückgewinnen, wenn alle Signatarstaaten die Aufgaben erfüllen, die sie mit dem 2+4-Vertrag übernommen haben. Ihr Bruch ist der Ausgangspunkt der aktuellen Konfliktspannung, die jederzeit außer Kontrolle geraten kann. Dann braucht sich die nächsten 100 000 Jahre niemand in Europa mehr blicken zu lassen. Alleine auf dem Gebiet der Ukraine stehen 15 Atomreaktoren.
Kein Kommentar, sondern eine Frage:Welche Dokumente gibt es zur Zusicherung an die Sowjetunion 1990/91 darüber, dass sich die NATO nicht ostwärts ausdehnen würde?
Liebe Verena, liebe alle!
Hier ein paar der Links zu Deiner Bitte:
> https://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP00418_080118.pdf
+ Hier die FAZ dazu: https://www.faz.net/aktuell/politik/ost-erweiterung-der-nato-was-versprach-genscher-12902411.html
++ Hier Norman Paech von der Gruppe frieden-links dazu: https://www.heise.de/tp/features/Osterweiterung-Wie-die-Nato-wortbruechig-wurde-6347016.html
++ Wichtig: Aus dem 2+4-Vertrag zur Verinigung der beiden deutschen Staaten von 1990: „…ENTSCHLOSSEN, die Sicherheitsinteressen eines jeden zu berücksichtigen,
ÜBERZEUGT von der Notwendigkeit, Gegensätze endgültig zu überwinden und die Zusammenarbeit in Europa fortzuentwickeln,…“ Darauf haben sich in einem völkerrechtl. relevanten Dokument die vier Siegermächte d. Zw.Weltkrieges + die DDR + die BRD festgelegt. Die Sicherheitsinteressen Russlands sind so sehr internationales Recht, wie die eines jeden Staates Europas
https://www.youtube.com/watch?v=3kkreO8FajI