Was tun in Zeiten des Krieges
Migration, Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg führten zu drei Brüchen in der Politik der Linken, die sich als folgenschwer erweisen
von Michael Brie – nd-Aktuell (28.12.2022)
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1169681.krise-der-linken-was-tun-in-zeiten-des-krieges.html
Auszüge:
In stürmischen Zeiten kann man klaren Positionierungen nicht ausweichen. Man kann nicht hinterhertraben, sondern muss vorweggehen in der Überzeugung, dass andere folgen. Man kann nicht versuchen, die Verluste an Anhängern zu minimieren, sondern muss vor allem selbst ein starker Anziehungspunkt werde, um Anhänger zu gewinnen, weil man sie begeistert durch klare Sprache und überzeugende Positionen. Aus wenigen können viele werden, wenn die richtigen Botschaften vertrauenswürdig und nachhaltig, verbunden mit richtiger zuverlässiger Politik, ausgesendet werden.
Es gibt einen schreienden Widerspruch zwischen dem Potenzial für linke politische Kräfte in der Gesellschaft und dem, was die Partei Die Linke, aber eben auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung erreicht. Wenn sich bundesweit seien es 20 oder 30 Prozent, im Osten noch mehr vorstellen können, eine Partei mit dem Gesicht von Sahra Wagenknecht zu wählen, die Partei Die Linke selbst aber bei Umfragen unter fünf Prozent liegt, dann müssen wir alles, aber auch alles tun, damit dieser Widerspruch solidarisch und gemeinsam bearbeitet wird und wir gemeinsam 15 Prozent bekommen, um wieder ein wirkungsstarke linke Partei zu sein. Das unendliche Wagenknecht-Bashing vernebelt das eigene Problem mangelnder Ausstrahlung. Wieso aber fehlt diese Ausstrahlung?
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Der erste Sturm kam 2015. […]
Der zweite Bruch kam mit der Pandemie. […]
Der dritte aktuelle Bruch kam mit dem Krieg in der Ukraine Anfang 2022. Wieder war Profillosigkeit Zeichen der Linken. Der Beschluss des Parteitags vom Sommer 2022, dem sich jede und jeder beugen soll, ist falsch. Ihm fehlt marxistische, imperialismuskritische Analyse. In diesem Krieg treffen zwei Imperien, ein starkes und ein sich bedroht sehendes, sehr schwaches, aufeinander. Auch die Leipziger Erklärung geht nicht auf die Vorgeschichte des Krieges ein. Diese Vorgeschichte beginnt nämlich dort, wo durch die Ausdehnung der Nato für Russland die rote Linie des Schutzes der eigenen Sicherheitsinteressen überschritten wurde. Der von Russland begonnene Krieg ist die schreckliche Folge. Es war vor allem die Politik der USA, die die Bedingungen für diesen Krieg geschaffen hat, so wie sie auch einen Krieg um Taiwan immer wahrscheinlicher macht. USA und Nato wollen Frieden durch ihre eigene Vormacht schaffen. Dies aber wird immer mehr und neue Kriege auslösen.
Die Leipziger Erklärung forderte zudem kein Ende der immer umfassenderen Waffenlieferungen an die Ukraine und wendet sich nicht gegen den Wirtschaftskrieg gegen Russland, sondern setzt nur daneben zusätzlich auch auf Verhandlungen. Wieder wird den realen Widersprüchen ausgewichen, weil einer klaren Analyse ausgewichen wird: Wenn das Hauptziel des Krieges aus westlicher Sicht mittlerweile die Ausschaltung Russlands als geopolitische Kraft ist und die Aufrüstung der Ukraine das Mittel dazu, dann muss meines Erachtens Die Linke sich gegen diese Aufrüstung, also gegen weitere Lieferungen immer schwererer Waffen ohne Ende und gegen die Spirale der Sanktionen wenden, die die Menschen in Russland wie in der Europäischen Union schwer treffen. Wenn die Ukraine sich zum Hilfsmittel des Kampfes gegen Russland macht, dann ist die Frage, in welchem Maße sie unterstützt werden soll, vor allem auch dadurch bedingt, ob man die westlichen Kriegsziele unterstützt oder nicht. Die Fortsetzung dieses Krieges »mit allen Mitteln« ist die schlimmste Option. […]
Machen wir uns nichts vor: Setzt sich dieser Krieg lange Zeit fort, dann sind wirksamer Schutz der Lohnabhängigen, sozialökologische Transformation und Wirtschaftsdemokratie und ein resilientes Gemeinwesen nur leere Phrasen. Zudem wächst mit jedem Tag die Gefahr einer nuklearen Eskalation. Die Frage von Krieg und Frieden und die soziale Frage können in Kriegszeiten nicht getrennt werden. Deshalb sollten durch die Partei Die Linke die Lieferung von Angriffswaffen an die Ukraine und die Fortsetzung des Wirtschaftskrieges mit aller Klarheit und Überzeugung verurteilt werden. […]
Linke Alleinstellung in zentralen Streitfragen der Zeit muss nicht in die Sekte führen, wenn sie sich auf die jeweils brennenden Fragen konzentriert. Wenn sie den Kompass der Orientierung auf die Lohnabhängigen, auf ein solidarisches Mitte-unten-Bündnis fest im Auge hat. Es ist die alte soziale Frage »Wem nützt es?«, die von links verbindet – gerade auch Ökologie, Feminismus, Demokratie, Frieden, Menschlichkeit und Menschenrechte. Und die dafür sorgt, dass diese nicht zur Legitimierung von Kriegen missbraucht werden.