Persönliche Erklärung im Bundestag am 25.8.2021 (Alexander Neu)
Den NATO-Krieg in Afghanistan nicht fortführen – warum ich mich bei der heutigen Abstimmung zum Afghanistan-Mandat enthalten habe
Nach der Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan ist die Situation der Bevölkerung in Kabul und landesweit durch Unsicherheit und Unübersichtlichkeit geprägt und die humanitäre Lage im Land ist katastrophal. Für die Menschen, die in der Vergangenheit für die bisherige Regierung und staatliche Institutionen sowie für westliche zivile und militärische Organisationen gearbeitet haben, für Journalistinnen und Journalisten, für Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie weitere politisch Aktive, insbesondere Frauen, ist die Machtübernahme durch die Islamisten eine potenziell lebensbedrohliche Gefahr. Sie können nicht sicher sein, dass die neuen Machthaber die erklärten Amnestien tatsächlich umsetzen, und müssen Verfolgung fürchten. Ihr Schutz muss oberste Priorität haben.
Umso schwerer wiegt das Versagen der westlichen Staaten – auch Deutschlands. Die Bundesregierung hat bei der Evakuierung der Ortskräfte in Afghanistan sträflich versagt. Außenminister Heiko Maas, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, Innenminister Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel tragen eine persönliche schwere Verantwortung für das organisierte Versagen bei der rechtzeitigen Rettung von Ortskräften und haben durch ihr Handeln viele Menschenleben gefährdet.
Die Fraktion DIE LINKE hatte am 24. Juni 2021 die rasche Evakuierung der Ortskräfte im Bundestag zur Abstimmung gestellt. Dieser Antrag wurde abgelehnt. In der Folge wurden die Ortskräfte im Stich gelassen.
Die Bundesregierung hat die politische Lage in Afghanistan und die militärische Entwicklung im Zuge des Abzugs der NATO-Truppen völlig falsch eingeschätzt und Warnungen vor einem raschen Siegeszug der Taliban ignoriert. Sie hat damit tausende Menschen der Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt. Die aktuelle Fehleinschätzung der Bundesregierung ist leider nur das letzte Glied in einer Kette aus Fehlentscheidungen und politischer Ignoranz. Seit dem Beginn des NATO-Krieges in Afghanistan 2001 und dem Kriegseintritt Deutschlands unter der Bundesregierung von SPD und Grünen hatte man auf die Unterstützung von Warlords und korrupten Politikern gesetzt und versucht, dies der Öffentlichkeit als Engagement für Demokratie und Menschenrechte vorzugaukeln. Die realen Entwicklungen wurden ausgeblendet.
Alles deutet darauf hin, dass der Bundestag mit dem vorgelegten neuen Mandat für die verfehlte Afghanistan-Politik der Bundesregierung in Mithaftung genommen und hier alleine die militärische Logik der letzten 20 Jahre fortgesetzt werden soll. Der Militäreinsatz hat überdies keine völkerrechtliche Grundlage, da er weder von den Vereinten Nationen (UN) beauftragt, noch mit den neuen faktischen Machthabern vereinbart wurde.
Statt auf zivile Evakuierungen wurde nach Absprache mit den Taliban ein weiterer Militäreinsatz aufgelegt, der in wenigen Tagen beendet wird und die zivilen Evakuierungen sogar behindert. Tausende gefährdete Personen werden von der Bundesregierung zurückgelassen. Diesem Mandat geheuchelter Hilfe der Bundesregierung werde ich meine Zustimmung verweigern.