Interview mit Alexander Neu
Woran hat’s gelegen?
Interview von Markus Bernhardt
https://www.unsere-zeit.de/woran-hats-gelegen-161226/
Auszüge:
UZ: Die Linke hat eine schwere Niederlage bei der Bundestagswahl eingefahren und ist künftig nur noch mit 39 Abgeordneten im Parlament vertreten. Was sind die Gründe dafür?
Alexander Neu: Die Gründe sind vielfältig. Sie fangen an mit dem Umgang der sogenannten Flüchtlingskrise 2015. Die Frage wie damit umzugehen sei, hat sich ja gerade in der Person von Sahra Wagenknecht und Katja Kipping zugespitzt. Und beide Genossinnen sind mit ihren Positionen stark in die Offensive gegangen. Das hat die Partei über Jahre beschäftigt und bei den Wählerinnen und Wählern nicht unbedingt attraktiv gemacht. Und die sehr lange Lähmung in der Partei aufgrund dieses Konflikts ist mit ursächlich für die Niederlage. […]
UZ: Und welche Rolle hat die letzte Afghanistan-Abstimmung im Zusammenhang mit dem desaströsen Wahlergebnis gespielt? Wie bewerten Sie insgesamt das Vorgehen in der Fraktion diesbezüglich?
Alexander Neu: Ich habe mich enthalten. In der Sache, was die völkerrechtliche Frage anbetrifft, was die Kriegsschuldfrage, was die Niederlage anbetrifft, all das sprach für ein klares Nein. Was für ein Ja sprach waren zwei Dinge: Einmal die öffentliche Wahrnehmung und zum anderen, dass die Menschen wirklich aus Afghanistan raus mussten. Das ist überhaupt keine Frage.
Die Frage war aber: Muss das militärisch sein? Da sage ich auch jetzt Nein. Ein oder zwei Wochen, nachdem die Militärs abgezogen sind, sind auch zivile Flugzeuge wieder in Afghanistan gelandet um Ausreisewillige aufzunehmen. Also, das scheint schon zu funktionieren. Und die Bundeswehr und die US-Streitkräfte ja auch schon vor Ort mit den Taliban zusammengearbeitet, um Evakuierungen durchzuführen. Es hätte also keine militärische Flankierung bedurft. Die Bundesregierung wollte mit diesem Antrag, der auch bewusst völkerrechtswidrig formuliert worden war, den gesamten Bundestag in die Mitverantwortung nehmen. […]
UZ: Nun ist auch mehrfach darüber diskutiert worden, dass die Friedensfrage von der Partei aufgeweicht worden sei. Teilen Sie diesen Vorwurf?
Alexander Neu: Jein. Wie gesagt, die Situation um die Evakuierung war eine Sondersituation. Das kann man so oder so sehen. Ich habe mich ja letztendlich enthalten, um zu verhindern, dass noch mehr Fraktionskolleginnen und -kollegen mit Ja stimmen. Ich wollte damit auch deutlich machen, wir können hier einen Kompromiss finden, aber es müssen sich dann auch alle dran halten. Das war jedoch nicht der Fall.
Darüber hinaus gibt es aber natürlich Fraktionsmitglieder, die die Friedensfrage schleifen wollen. Die wollen „Rot-Rot-Grün“ um jeden Preis – im Zweifel auch ohne störende Inhalte. Hauptsache, man ist dabei. Und ehrlich gesagt, so manche „rot-rot-grüne“ Landesregierung im Osten hat mich nicht sonderlich überzeugt. Selbst, wo Die Linke nicht in der Regierung ist, macht sie den Kotau vor SPD und den Grünen auf Landesebene – nun auch während des letzten Wahlkampfes auf Bundesebene.
Und die Friedensfrage ist natürlich von großer Bedeutung. Das sieht man ja auch bei der Medienberichterstattung. Da wurden immer wieder die Kollegen Andrej Hunko, Diether Dehm, Heike Hänsel, Żaklin Nastic und ich, gezielt angegriffen. Die Botschaft an „Die Linke“ war eindeutig: Staatsräson – Trennt Euch von denen, dann seid Ihr eine willkommene, weil in der Außen- und Sicherheitspolitik zahnlose Linke.
Wobei ich gar nicht prinzipiell gegen „Rot-Rot-Grün“ bin. Nur muss ein wirklich spürbarer Politikwechsel dadurch stattfinden. Und das sehe ich unter den gegebenen Bedingungen nicht. […]