Aufgabe der Linken: Nicht aufgeben!
Text übernommen aus: Ossietzky Nr. 22/2022
Quelle: https://www.ossietzky.net/artikel/aufgabe-der-linken-nicht-aufgeben/
Eine Marginalisierung der Linkspartei durch parlamentarische Anbiederungsversuche gegenüber den transatlantischen Parteien SPD und Grüne oder durch ihre Spaltung würde vielen alternativen Kräften Möglichkeiten für Bündnisarbeit erschweren oder gar nehmen, angefangen bei einem Rückgang der Möglichkeiten der Rosa Luxemburg Stiftung, Projekte zu unterstützen.
Die aktuelle Kampagne gegen Sahra Wagenknecht wird nicht allein von Angehörigen des rechteren Spektrums in der Linkspartei geführt, so der »Initiative solidarische Linke«, sondern von einem breiten Medienspektrum von der taz, die ihr AfD-Rhetorik vorwirft, bis ins konservativ-bürgerliche Lager. Auch das ARD-Politik-Magazin Monitor stimmt in diesen Kanon ein.
Die Kampagne erinnert an die »Strategische Kommunikation«, die laut einem Nato-Dokument von 2010 ein »entscheidender Faktor für den Kampf gegen konkurrierende Darstellungen (…) ist«. Auch die Strategie, Kritiker zu de-legitimieren (»concentrate on degrading the credibility of opponents«) rechnet die Nato zu den Instrumenten ihrer »Psychologischen Operationen«, mit denen sie die Glaubwürdigkeit ihrer Gegner, auch derer im eigenen Land, mit Nachrichtenmanagement zu untergraben versucht. Über den weithin unbekannten Einfluss von Transatlantikern informierte die Satire-Sendung Die Anstalt Anfang 2015.
Die Strategische Kommunikation verzeichnet große Erfolge, wie man daran ablesen kann, wie weit sich die Grünen von der ursprünglichen Nato-Kritik ihrer Gründerjahre entfernt haben und wie stark die Nato-Propaganda für Waffenlieferungen und gegen Diplomatie einhergeht mit einer Diffamierung der Friedensbewegung, etwa unter dem Begriff »Lumpen-Pazifismus«.
Die Wirkungen in die Richtung einer Aufweichung friedenspolitischer Positionen in der LINKEN zeichnen sich ab. So haben eher rechts angesiedelte Führungskräfte der Linkspartei einen Antragstext eingebracht, in dem sie die konsequente Einhaltung des Völkerrechts aufzuweichen versuchten: Bei der Abwendung von Menschenrechtsverstößen stehe das Völkerrecht im Wege. Diese Argumentation kommt der Position der Nato entgegen, die Interventionen wiederholt als humanitär darstellt und verteidigt. Mit diesem Deckmantel hat die Nato auch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien gerechtfertigt.
Der genaue Blick auf die moralisch verkauften Nato-Kriege bestätigt Egon Bahrs Aussage, die er 2013 einer Heidelberger Schulkasse mit auf den Weg gab: »In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen (…) erzählt.«
Die aktuelle Kampagne gegen die Friedensbewegung und gegen linke Kräfte an ihrer Seite zeichnet das selbstgerechte Bild, demzufolge die Nato Demokratie und Menschenrechte verteidigt, während linke Friedensaktivisten mit ihrer Ablehnung von Waffenexporten in Kriegsgebiete als Putin-Versteher, moralisch verkommen, die Menschenrechte aufgeben und Menschen dem Unrecht ausliefern.
Diese Stimmungsmache geschieht, obwohl die Friedensbewegung Krieg unabhängig davon, welche Akteure ihn eröffnet haben, verurteilt; sie geht auch davon aus, dass jeder noch so moralisch begründete Krieg zu einem Bruch der selbst-erklärten humanitären Ansprüche führt, dass der damit verbunden Propaganda-Krieg die Bevölkerung auf allen Seiten manipuliert und missbraucht. Die Pazifisten warnen, dass sich Maßnahmen der Verteidigung in ihr Gegenteil kehren, insofern sie Kriege eskalieren, statt sie zu beenden, wenn das Verteidigen in einen Gegenangriff übergeht. Die Friedensbewegung verurteilt neben dem Krieg Russlands gegen die Ukraine auch den Waffengang des EU-Partners Aserbaidschan gegen Armenien sowie den des westlichen Handelspartners und Waffenkäufers Saudi Arabien im Nachbarland Jemen.
An den doppelten Standards und Halbwahrheiten beteiligen sich auch Spitzenpolitiker der LINKEN, wenn sie verbreiten, dass es lediglich Putin sei, der einen Wirtschaftskrieg gegen Deutschland führt. Und sie kritisieren auf der Basis dieser Darstellung Sahra Wagenknecht für ihre Kritik daran, dass westliche Staaten Wirtschaftskrieg gegen Russland führen. Wie richtig Sahra Wagenknecht mit ihrer Kritik liegt, zeigt ein genauer Blick auf die Jahre seit dem illegalen Machtantritt einer pro-Nato-Regierung in der Ukraine 2014, die zur Krim-Krise führte und in der Folge zu über 20 Sanktionsmaßnahmen gegen Russland allein auf EU-Ebene. Dies nicht mit in Betracht zu ziehen, drückt eine Wirklichkeitsverneinung aus, die daran anknüpft, dass Spitzenpersonal der Linkspartei jene Bundestagsabgeordneten scharf kritisierte, die sich gegen den Antrag der Bundesregierung auf ein militärisches Evakuierungsmandat in der Schlussphase des Afghanistankrieges stellten. Dieser Zwist war ein zentrales Element der Vorgeschichte dafür, dass die LINKE nicht einmal fünf Prozent der Wählerstimmen bei den Bundestagswahlen erhielt. Koalitionsnaivität auf Seiten der Kritiker der Gegner dieses Antrags der Regierung führte dazu, dass sie übersahen, dass der Text nicht zustimmungsfähig war, da er in Punkt 7 unterstellte, die in Afghanistan an der Macht befindliche Regierung hätte dem Mandat zugestimmt. Die Vorgängerregierung, mit der es entsprechende Absprachen gegeben hatte, war aber längst geflohen. Der Realitätsverlust der Koalitionsträumer in der Spitze der LINKEN machte es den späteren Ampel-Parteien leicht, der Linkspartei die Regierungsfähigkeit abzusprechen, da sie sich scheinbar der Rettung verweigerte.
Fast wie eine Antwort auf die Anbiederungsversuche einiger Spitzenfunktionäre der Linkspartei an zwei der drei Ampel-Parteien liest sich, was Karl Marx einst schrieb: »Anderen etwas vormachen und sich dabei selbst etwas vormachen, das ist die parlamentarische Weisheit im Kern.« Und wie diesen Brieftext ergänzend, kritisierte er Jahre später, dass die linken Parlamentarier, »statt sich der ganzen Versammlung direkt gegenüberzustellen«, die Hoffnung nicht aufgeben, »in der Kammer und durch die Kammer noch zu etwas zu kommen und eine Majorität für die Linke zu erlangen«.
Für Illusionen und für die Anpassung an Kräfte, die letztlich freiwillig oder unbewusst den Interessen der Rüstungsindustrie und ihrer Lobby in die Hände spielen, hat die Menschheit im Zeitalter der globalen ökologischen, sozialen und militärischen Katastrophen weder Zeit noch Kraftreserven. Die Friedensbewegung hat, so wie die Ökologiebewegung, potente Gegner mit hohem Einfluss auf Politik und Öffentlichkeit: »Rheinmetall ist (…) im M-Dax seit Ende Februar mit einem Plus von 67 Prozent der beste Wert. Im Juni hatte die Aktie ein neues Allzeithoch mit fast 225 Euro erreicht. Vorher lag der Kurs bis Anfang März bei um die 80 Euro. (…) Thyssenkrupp ist ein deutscher Stahlhersteller, welcher mit seiner Geschäftseinheit Marine Systems rund 5 Prozent seines Gesamtumsatzes mit Rüstungsgütern wie U-Booten und Minenkampfschiffe erwirtschaftet. Anfang März konnten auch sie ein Plus von ungefähr 15 Prozent einfahren, nachdem sie Anfang Februar ursprünglich diskutiert hatten, aufgrund des schlechten Images der Rüstungssparte Marine Systems zu verkaufen. (…) Der Kurs des weltweit größten Rüstungskonzerns Lockheed Martin konnte seit Februar um ungefähr 25 Prozent steigen.«
Das Überleben der Menschheit hängt mit davon ab, dass dieses Geschäft mit dem Tod keine Zukunft mehr hat, und die beginnt jeden Augenblick. Die Aussichten steigen, wenn die Kräfte für das Überleben zusammenfinden.
Quellenhinweise: Egon Bahr wird hier von der SZ zitiert: https://www.sueddeutsche.de/politik/egon-bahr-verstand-ohne-gefuehl-ist-unmenschlich-1.2614596 Der Dissens zwischen Spitzenpolitikern der LINKEN und Sahra Wagenknecht wird u.a. hier berichtet: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/linkenabgeordnete-distanzieren-sich-von-wagenknecht-a-f7d34217-c17e-4fe8-bbbb-7c45bc6e46e6 Der Antrag der Bundesregierung zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan ist hier: https://dserver.bundestag.de/btd/19/320/1932022.pdf zu Rheinmetall, ThyssenKrupp und Lockheed ist: https://www.rnd.de/politik/aktien-von-ruestungsbetrieben-mit-aufwind-gegen-den-boersentrend-DO64H3PBSNG3JJGLYJNQPTI3SU.html