Das verdrehte demokratische Koordinatensystem
von Tom J. Wellbrock – Stichpunkt-Magazin (13.1.2025)
Quelle: https://stichpunkt-magazin.com/das-verdrehte-demokratische-koordinatensystem/
Die Vorstellung, deutsche Politik sei “links”, “links-grün-versifft” oder gar “sozialistisch”, hält sich hartnäckig und führt zu einem sprachlichen und inhaltlichen Verlust linker Ideen.
Auszüge:
Olaf Scholz, Robert Habeck, Ricarda Lang und all die anderen haben keine andere Wahl. Sie müssen sich als links bezeichnen, mindestens aber als Politiker der Mitte, zur Sicherheit auch gern als links von der Mitte. Das hat mit politischen Inhalten zunächst einmal nichts zu tun. Sie müssen sich so positionieren, weil ihr Feind rechts ist, und rechts ist in der neuen deutschen Politikersprache in der Regel auch gleich rechtsradikal oder rechtsextrem.
Da die Grautöne begraben wurden und die aktuelle Politik in den meisten Fällen schlicht intellektuell überfordert ist, wird ein kategorisches Bild von Politikverständnis gepflegt. Links ist alles, was sich von der AfD (oder neuerdings auch dem BSW) distanziert, rechts trifft sich der vermeintlich neue Faschismus, den es von linker Seite zu bekämpfen gilt. Ein solches Weltbild ist hohl und nicht durch Fakten zu untermauern, aber es funktioniert in der Alltagssprache recht gut. Und wenn wir von Alltagssprache reden, ist eine Ausdrucksform gemeint, die sich an oberflächlichen Plattitüden orientiert, auswendig gelernt und ohne intellektuelle Unterfütterung.
Was am Krieg ist links?
Wenn Boris Reitschuster, der bekanntlich politisch rechts steht, von links-grün versifften Politikern spricht, macht er es sich leicht. Als politischer Rechtsausleger ist seine Haltung recht klar und leicht zu identifizieren. Das ist nicht als Kritik zu verstehen, Leute, die sich politisch eindeutig einordnen und von außen entsprechend zuordnen lassen, sind zu seltenen Exemplaren geworden. Reitschuster ist ein solches Exemplar. Er ist auch ein Beispiel dafür, wie leicht die Zustimmung anderer als grundsätzliche politische Haltung festgelegt wird. Drastischer ist der Umgang mit der AfD. Sahra Wagenknecht hat es vor einiger Zeit auf den Punkt gebracht, als sie sagte, dass sie der AfD nicht widersprechen könne, wenn diese behaupte, der Himmel sei blau.
Jene AfD hat eine ziemlich genaue Idee davon, wie am besten mit dem aktuellen Ukraine-Krieg umzugehen sei. Dieser müsse so schnell wie möglich beendet werden, durch einen Waffenstillstand, Verhandlungen und letztlich einer Einigung zwischen den Kriegsparteien (die ja weit über Russland und die Ukraine hinausgehen). Boris Reitschuster sieht das anders, wobei nicht bekannt ist, was genau er in Russland zur Zeit seiner Arbeit dort erlebt hat, es scheint prägend gewesen zu sein. Wie auch immer, beide, AfD und Reitschuster, stehen auf dem politischen Spielfeld rechts, die Einordnung ist also nicht so einfach.
Ob Reitschuster es will oder nicht, in Sachen Ukraine-Krieg ist er voll auf Regierungslinie, und ob die AfD es will oder nicht, mit ihrer Haltung zu Beendigung des Krieges vertritt sie eher linke Ideen. Man könnte nun sagen, das sei doch der beste Beweis dafür, dass die Attribute links und rechts aus der Zeit gefallen seien, heute funktioniere so eine Zuordnung nicht mehr. Doch das wäre falsch, denn grundsätzlich linke und rechte Ideen gibt es sehr wohl noch und das wird auch so bleiben. Weil es zwischen rechten und linken Positionen zwar grundlegende Unterschiede, aber auch punktuelle Übereinstimmungen gibt. Der Wunsch nach Frieden ist in linken wie in rechten Kreisen vorhanden, doch die Kriegstreiberei ist eher auf der rechten Seite zu finden. Insofern muss man als friedliebender Mensch jedem Rechtspositionierten dankbar sein, wenn er für das Ende eines Krieges eintritt.
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Jene AfD hat eine ziemlich genaue Idee davon, wie am besten mit dem aktuellen Ukraine-Krieg umzugehen sei. Dieser müsse so schnell wie möglich beendet werden, durch einen Waffenstillstand, Verhandlungen und letztlich einer Einigung zwischen den Kriegsparteien (die ja weit über Russland und die Ukraine hinausgehen). Boris Reitschuster sieht das anders, wobei nicht bekannt ist, was genau er in Russland zur Zeit seiner Arbeit dort erlebt hat, es scheint prägend gewesen zu sein. Wie auch immer, beide, AfD und Reitschuster, stehen auf dem politischen Spielfeld rechts, die Einordnung ist also nicht so einfach.
Ob Reitschuster es will oder nicht, in Sachen Ukraine-Krieg ist er voll auf Regierungslinie, und ob die AfD es will oder nicht, mit ihrer Haltung zu Beendigung des Krieges vertritt sie eher linke Ideen. Man könnte nun sagen, das sei doch der beste Beweis dafür, dass die Attribute links und rechts aus der Zeit gefallen seien, heute funktioniere so eine Zuordnung nicht mehr. Doch das wäre falsch, denn grundsätzlich linke und rechte Ideen gibt es sehr wohl noch und das wird auch so bleiben. Weil es zwischen rechten und linken Positionen zwar grundlegende Unterschiede, aber auch punktuelle Übereinstimmungen gibt. Der Wunsch nach Frieden ist in linken wie in rechten Kreisen vorhanden, doch die Kriegstreiberei ist eher auf der rechten Seite zu finden. Insofern muss man als friedliebender Mensch jedem Rechtspositionierten dankbar sein, wenn er für das Ende eines Krieges eintritt.