Beitrag zu Webinar Nr. 2/2025 von friedenlinks vom 26.3.2025 (korrigierte und ergänzte Fassung der Transkription)
von André Leisewitz, verantwortlicher Redakteur von Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung

Vorab: Zustimmung zu Peters Einschätzung der internationalen Prozesse und der qualitativen Veränderungen in den internationalen Beziehungen Zu der sich andeutenden diplomatischen Beendigung des Stellvertreterkrieges in und um die Ukraine und einem partiellen Rückzug des US-Militärs aus Europa ist realistischerweise natürlich festzuhalten, dass die Ursachen mit einer international gedachten Friedensbewegung erst mal nichts zu tun haben.

Motive der US-Politik unter Trump

Erstens: Was sind die übergreifenden Motive für das Agieren der US-Administration? Offensichtlich ist die Trump-Administration bemüht, die Kosten der weichen und harten Faktoren für die internationale Expansion des US-Imperialismus zugunsten direkter Profitförderung für das US-Kapital zu reduzieren. Damit soll Spielraum für die Umorientierung des ökonomisch-militärischen Potentials der USA einerseits in Richtung Auseinandersetzung mit China, andererseits zugunsten direkter Interventionen zwecks Ressourcensicherung in verschiedenster Form gewonnen werden. Für Letzteres sprechen z.B. die Aktivitäten in Sachen Panamakanal, der vorgesehene Vertrag zur Ressourcenausplünderung der Ukraine u.a.m. Das Ganze ist eine Reaktion auf die veränderte weltwirtschaftliche Situation und Stellung der USA, insbesondere das gewachsene Gewicht Chinas. Aber das ist natürlich seit der Feststellung Obamas, die USA seien nicht mehr in der Lage, in zwei Weltregionen große Konflikte militärisch gleichzeitig zu führen, nicht ganz neu. Und sie müssen sich primär dem Fernen Osten zuwenden. Auf jeden Fall hat die Umorientierung der Trump-Adfministration nichts zu tun mit dem Eingehen auf Forderungen nach einer veränderten Weltwirtschaftsordnung, also einer politisch-ökonomischen Neugestaltung der Weltwirtschaftsinstitutionen, etwa zugunsten größerer Rechte und Einflussmöglichkeiten des sog. Globalen Südens in einer insgesamt kapitalistischen Welt, in der Konkurrenz und Wertgesetz die ökonomischen und politischen Prozesse beherrschen und das US-Kapital und der Dollar nach wie vor eine bestimmende Stellung haben.

Wir müssen davon ausgehen, dass dieser Rückzug bzw. diese Umorientierung der USA nicht zu einer Reduzierung, sondern zu einer drastischen Ausweitung der Rüstungsanstrengungen führen wird. Dies gilt für die BRD, EU, NATO, und dies gilt auch für China, Russland, Indien und für andere Regionalmächte.

Große Koalition de Aufrüstungsbefürworter

Zweitens: In der Bundesrepublik umfasst die Große Koalition der Aufrüstungsbefürworter im noch bestehenden Bundestag CDU, die konservativen AfD und die Ampelparteien. Sie stehen jetzt und dann im neuen Bundestag vor dem gleichen Problem wie die bisherige Ampelkoalition.

Sie sind klamm und müssen die Schuldenbremse irgendwie lockern, um den Staatshaushalt einerseits zugunsten von kapitalorientierter, ökologischer Transformation und andererseits für Aufrüstung auszuweiten. Im neuen Bundestag haben die sogenannten Parteien der Mitte keine Zweidrittelmehrheit mehr, die für eine entsprechende Verfassungsänderung erforderlich wäre. Mit der AfD, die für eine drastische Ausweitung des Rüstungshaushalts plädiert, könnten sie das natürlich machen. Das gilt aber nicht für weitere Unterstützung der Ukraine. Insofern ergeben sich in dieser Hinsicht rüstungspolitische Kooperationsmöglichkeiten für den konservativ-rechten Bogen erst jenseits des Ukrainekrieges.

Die entsprechenden Überlegungen, wie das noch im alten Bundestag bewerkstelligt werden kann, sind in vollem Gange (Sondervermögen etc.).

Die Neuordnung der Rüstungswirtschaft der Bundesrepublik ist seit langem schon eine Forderung aus der Branche und steht aktuell auf der Tagesordnung. Rheinmetall Chef Pappenberger beklagt die Zerschlagung der Rüstungsindustrie nach 1945 und fordert deren Rekonsolidierung mit Verweis auf die USA, wo die Rüstungswirtschaft aus nur fünf integrierten Großkonzernen besteht. In Dokumenten der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und des Instituts der deutschen Wirtschaft werden die rüstungswirtschaftlichen Forderungen der Industrie formuliert mit dem Verlangen nach „Verstetigung der erhöhten Verteidigungsausgaben“, einer verstärkten Kooperation und einem rüstungspolitischen New Deal auf EU-Ebene sowie der steuersparenden Einstufung von Rüstungsausgaben als „nachhaltig“. Außerdem fordert die Rüstungsindustrie eine staatliche Abnahmegarantie.

Ich nenne nur als weitere, aktuelle Stichworte: Kerosin-Pipelines, Heimatschutz und territoriale Reserve, Bundeswehrgesetz in Bayern, das Grünbuch zur zivil militärischen Zusammenarbeit im Kriegsfall. In Hessen beobachten wir zum Beispiel, dass im regionalen Fernsehen die Bundeswehr so präsent ist wie seit langem nicht mehr. Insofern wird sich auch jenseits des Ukrainekrieges und der Auseinandersetzung um seine Beendigung das Kampffeld für die Friedensbewegung ausweiten, die Friedensfrage rückt sozusagen noch enger an uns heran und wird noch konkreter.

Handlungsbedingungen und Anforderungen für die Friedensbewegung

Drittens: Wie sehen die Handlungsbedingungen und Anforderungen für die Friedensbewegung aus? Ergeben sich mit Blick darauf aus den Ergebnissen dieser Bundestagswahl irgendwelche Hinweise?

1) Unbedingt notwendig: Rückgewinnung des Friedensbegriffs bzw. einer progressiven Vorstellung von friedlichen internationalen Beziehungen und friedlicher Koexistenz gegen deren bellizistische Umdeutung, als Element des ideologischen Kampfes. Hier muss ungeheuer viel Schutt, der in den letzten Jahren angehäuft worden ist, in den Köpfen weggeräumt werden.

2) Rückgewinnung und Stärkung einer antimilitaristischen Haltung im Bereich der Betriebe und Gewerkschaften. Gegenwärtig läuft die Konversion von Zivilproduktion auf Rüstungsgüter, zum Beispiel im Bereich der Automobilindustrie und der Automobilzulieferer, die bekanntlich in einer ganz tiefen Krise stecken, wo viele Betriebe dichtgemacht werden bzw. Belegschaften entlassen werden. Die Einweihung des Panzerwerks in Görlitz im Februar war nur ein symbolisches Beispiel dafür – statt Regionalzügen und Straßenbahnen werden dort jetzt Panzer gebaut. Weiteres Beispiel: Der Automobilzulieferer Continental kooperiert mit Rheinmetall. Bei Continental werden Belegschaftsteile abgebaut und Rheinmetall direkt angeboten.

3) Kampf um antimilitaristische Haltung im Jugendbereich. Wenn wir historisch zurückblicken, dann zeigt sich, dass die Stärke der alten Friedensbewegung in den 80er Jahren sich in hohem Maße aus dem Vorlauf ergab, den sie durch die politisch-kulturellen Umbrüche seit Ende der 60er Jahre erhalten hatte. Ich erinnere damit an den Kampf gegen den Vietnamkrieg. Die breite Auseinandersetzung mit Demokratisierungsverlangen, Kampf um Entspannungspolitik, Linksentwicklung an den Hochschulen, ausgeprägte linke Tendenzen in den Gewerkschaften etc. Aus diesen Tendenzen speiste sich ja ein beachtlicher Teil der Aktivisten der damaligen Friedensbewegung und damit auch ein wesentliches Moment ihrer Entfaltung und Stärkung. Heute haben wir mit dem Gegenteil zu kämpfen, den Auswirkungen einer langen Phase neoliberaler Hegemonie und vielfältiger multipler Krisenprozesse, mit geschwächten Gewerkschaften. Generell ist die Zukunftsangst enorm gewachsen. 2025 blickten nur noch 11 % der Wähler zuversichtlich in die Zukunft, 2017 waren das noch 52 % gewesen. Das ist auch der Hintergrund für die bei der Bundestagswahl deutlich gewordene Rechtsentwicklung: Verdoppelung der AfD-Stimmen, Abwandern von zweieinhalb Millionen Wählern der SPD an CDU und AfD. Das gilt auch für den betrieblichen Bereich – hoher AfD-Anteil bei Arbeiterwählern.

Offenbar hat die Frage nach Krieg und/oder Frieden in diesem Kontext für die Wahlentscheidungen zumindest unmittelbar keine besonders große Rolle gespielt. Auf die Frage: Welches Thema spielte für Ihre Wahlentscheidung die größte Rolle? gaben insgesamt 13 % Friedenssicherung an. Dies entspricht im Übrigen gerade dem Wahlergebnis der beiden für Friedenssicherung eintretenden Parteien Die Linke und BSW. Die größte Rolle spielten innere Sicherheit, soziale Sicherheit, Zuwanderung, Wirtschaftswachstum, auch Umwelt und Klima. Niedrigere Bedeutung hatten gestiegene Preise. Beachtlich ist der Ost-West Unterschied. In Westdeutschland stand Friedenssicherung mit 12 % an sechster Stelle von sieben Vorgaben, in Ostdeutschland mit 17 % an zweiter Stelle. Dabei ist aber zu beachten, dass bei der Frage nach Friedenssicherung ja ganz konträre Auffassungen erfasst werden. Für die einen sind Aufrüstung und Rüstungslieferungen gerade ein Element der Friedenssicherung, für die anderen ist das gerade umgekehrt. Ich würde daraus schlussfolgern, dass eine stärkere argumentative Verbindung von Friedensfrage und sozialen Fragen („Kanonen versus Butter“) und ökologischen/Klimafragen erforderlich ist, um mehr Rückhalt zu gewinnen. Die aktuellen Anstrengungen zur diplomatischen Lösung des Ukrainekrieges müssten jetzt genutzt werden, um der bellizistischen Umdeutung des Friedensbegriffs entgegen zu treten. Das schließt die Thematisierung der im Kapitalismus wurzelnden Ursachen von Krieg natürlich unbedingt ein.

Bemerkenswert ist mit dem unerwarteten Aufschwung der Linken bei der Bundestagswahl auch deren relative Stärke bei den jugendlichen Wählern. Was kann unternommen werden, um sie stärker in die Friedensbewegung einzubinden?

Wichtig sind hierbei Friedensaktivitäten an den Hochschulen, die Auseinandersetzung um die Reaktivierung der Wehrpflicht, die Zurückweisung von Bundeswehr-Aktivitäten in den Schulen u.a.m.