Erklärung von Frieden-Links: Das Debakel war vorauszusehen – was lernen wir daraus?
Im Wahlkampf gerierte sich die LINKE als ob die nur von ihr angestrebte „rot-rot-grüne“ Koalition bereits bestünde und als ob die LINKE nicht nur Garantin einer echt linken Koalition wäre, die SPD ein wenig sozialer, die Grünen konsequent ökologisch machen könne. Rund eine Million ihrer Wählerinnen und Wähler gaben dann aber ihre Stimme zu ziemlich gleichen Teilen lieber den beiden Originalen. Statt des Mitregierens auf kaum wärmendem Flämmchen mit vielleicht einem Staatssekretärsposten hat sich die Stimmenzahl der linken Opposition halbiert.
Der kluge Gedanke Veränderung beginnt mit Opposition stammt von der Vorgängerpartei der LINKEN, der PDS. Als Oppositionskraft hatte die LINKE einen Gebrauchswert, sie hat Alternativen wachgehalten, und wurde deshalb von vielen gewählt. Als Regierungspartei im Wartestand, bereit, Grundsatzpositionen, vor allem in der NATO-Frage, aufzugeben, hat sie sich selbst überflüssig gemacht. Wenn DIE LINKE sich erholen, d.h. zu sich selbst zurückfinden will, muss sie sich nicht, wie es neudeutsch heißt, neu erfinden, sondern zu ihrem Programm, zu Opposition und Widerspruch zurückfinden. Ob sie dazu die Kraft findet, ist offen.
Obwohl: Die Themen der Linken liegen auf der Straße bzw. sind längst in ihrem noch immer gültigen Parteiprogramm festgeschrieben.
- Die Friedensfrage (und die NATO-Mitgliedschaft) waren schon Jahre lang der LINKEN als das entscheidende Hemmnis für eine Regierungsbeteiligung vorgehalten worden. Ein Festhalten an dieser Position war das Markenzeichen der Partei. Das konsequente Beharren auf dieser Position schlug die Brücke zum sozialpolitischen Schwerpunkt der Partei: Statt 2% des Bruttosozialprodukts für Aufrüstung und gigantische neue Rüstungsprojekte zur Verfügung zu stellen – was alle Parteien, die jetzt über eine mögliche Koalition verhandeln, als selbstverständlich akzeptieren – wäre dies ein zentraler Interventionspunkt für die LINKE gewesen.
- Denn hier liegen die Mittel für eine gerechtere Gesellschaft und für einen wirtschaftlichen Umbau, der die Produktion gesellschaftlich nützlicher Güter ermöglicht. Hier liegt auch der Schlüssel zu einer sozial-ökologischen Konversion. Damit würde die auch ohne direkte Kriegsführung bereits gigantische Ressourcenverschwendung und Treibhausgasbelastung durch die weltweite imperiale Militärpräsenz auf Militärbasen, dem Wasser und in der Luft beendet.
- Auslandseinsätze werden weiterhin das Markenzeichen der Bundeswehr bleiben. Nicht umsonst wurde sie umbenannt von „Verteidigungsarmee“ zu „Armee im Einsatz“. Dies artikuliert klar und deutlich den Willen zur (imperialistischen) Intervention. Sie erfolgt teils durch Berufung auf Mandate der UN, teils unter Berufung auf Mandate der EU, der die Mandatierung solcher Interventionen völkerrechtlich nicht zusteht. Die Berufung auf UN-Mandate erfolgt dann im Rahmen sogenannter Blauhelmmissionen, deren Aufgabenstellung längst einem Wandel hin zum Interventionismus der großen westlichen Mächte verkommen ist: So waren die frühen Blauhelmeinsätze dadurch gekennzeichnet, dass nur kleine und neutrale Staaten Blauhelmtruppen stellen sollten, um so Großmachtinteressen fernzuhalten, und dass diese Truppen nur zur Selbstverteidigung Waffen tragen sollten.
- Nur die konsequente Kritik am herrschenden Kapitalismus und der Umbau der Gesellschaft in Richtung auf eine an den Interessen der Menschen orientierte Wirtschaft (Wohnen, Gesundheit, Umwelt) unter Verzicht der im besten Falle unproduktiven enormen Rüstungsgüter machen solche dringend erforderlichen Reformen in Richtung auf eine humane und sozialistische Gesellschaft möglich. Sie sind Voraussetzung für ein gutes Leben.
- Als Sahnehäubchen für die friedenspolitische Argumentation kam in den letzten Wahlkampftagen noch die Flucht der NATO-Vormacht aus Afghanistan hinzu, die die Richtigkeit der zwanzigjährigen Analysen und Forderungen der LINKEN an diesem Kriegseinsatz, wie an den anderen Auslandseinsätzen bestätigte. Diese Steilvorlage der Zeitgeschichte wurde nicht argumentativ aufgenommen. Die Partei war in keiner der großen Streitfragen ob Corona-Pandemie, Klimawandel oder Konfrontation gegen Russland und China als Opposition hör- und sichtbar.
Es mag bitter erscheinen, aber es ist die einzige Alternative: Harte, konsequente, programmkonforme Oppositionsarbeit ist der einzige Weg zurück zu politischer Identität und zu Glaubwürdigkeit beim Souverän. Eine Chance für sichtbare und wirksame Oppositionspolitik ist immerhin der Erhalt des Fraktionsstatus, der von jenen drei Wackeren errungen wurde, die in Berlin und Leipzig Direktmandate erkämpften.
05.10.2021 Berlin, Bremen, Düsseldorf, Edermünde, Essen, Frankfurt/Main, Hamburg
Reiner Braun, Berlin, International Peace Bureau, Kampagne Stopp Air Base Ramstein
Wolfgang Gehrcke, Berlin, Ex-MdB DIE LINKE. | Kristine Karch, Düsseldorf, Co-Sprecherin internationales Netzwerk „No to war-no to NATO“, Kampagne Stopp Air Base Ramstein | Prof. Dr. Karin Kulow, Berlin, Nahost- und Islamwissenschaftlerin | Ekkehard Lentz, Bremen, Sprecher Bremer Friedensforum | Pascal Luig, Berlin, NaturwissenschaftlerInnen-Initiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit e.V. (NatWiss), Kampagne Stopp Air Base Ramstein | Willi van Ooyen, Frankfurt/M. Aktivist der Friedens- und Sozialforumsbewegung, Bundesauschuss Friedensratschlag, Ostermarschbüro | Prof. Dr. Norman Paech, Hamburg, Jurist und emeritierter Professor für Politikwissenschaft und für Öffentliches Recht | Karl Heinz Peil, Frankfurt/M. Friedens- und Zukunftswerkstatt e. V., verantwortlicher Redakteur des ‚Friedensjournal‘ | Christiane Reymann, Berlin, Autorin | Prof. Dr. Werner Ruf, Edermünde, Kasseler Friedensforum, Mitglied des Gesprächskreises Friedens- und Sicherheitspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung | Bernhard Trautvetter, Essen, Mitbegründer Netzwerk Schule ohne Bundeswehr NRW, Sprecher Essener Friedensforum, VVN-BdA, GEW
Ich danke für diese Einschätzung. Das stimmt – bei den aufgezählten Punkten war nichts laut zu hören von den Linken. Z.B. Corona. Vom PV muss immer aktuell auf das Weltgeschehen reagiert werden. Ich hoffe, das tun sie jetzt. Und der interne Streit muss aufhören! Ich weiss, dass das nicht einfach ist. Aber die Leute an der sogenannten Spitze müssen Vorbild sein!
Gruss Ingeborg Lay-Ruder, DIE LINKE, Moers
Sevim Dagdelen begrüßt auf Facebook unsere Erklärung und zitiert sie vollständig
https://www.facebook.com/1753343008226103/posts/3357588707801517/
Der „Startschuss“ für die Bilanzdebatte von Annegret Kramp-Karrenbauer zum Afghanistan-Krieg übertrifft alle schlimmen Befürchtungen. In Orwell’schem Neusprech wird im Verteidigungsministerium ein Krieg mit Hunderttausenden Toten und Verletzten zum „Engagement“ verharmlost und die eigene Niederlage schön geredet. Der Beitrag zur Aufarbeitung des Bundeswehr-Einsatzes am Hindukusch ist eine unwürdige Politposse auf dem Rücken der Soldaten zum Abschied der CDU-Ministerin. Nächste Woche soll der Kriegseinsatz, bei dem 59 deutsche Soldaten sinnlos gestorben sind, auch noch mit einem Großen Zapfenstreich, Marschmusik und Fackelschein vor dem Reichstag in Berlin gewürdigt werden.
Die militärische Niederlage des Westens nach 20 Jahren, aller Welt vor Augen geführt mit dem chaotischen Abzug aus Kabul Ende August, Kriegsverbrechen der NATO sowie die Kooperation der Besatzungstruppen mit Warlords und einer durch und durch korrupten Marionetten-Regierung müssen vom neuen Bundestag in einem Untersuchungsausschuss selbstkritisch aufgearbeitet werden. DIE LINKE wird dafür als Antikriegspartei im Parlament Druck machen und der Bundesregierung die Schönfärberei nicht durchgehen lassen.
Ich danke ausdrücklich der Initiative aus der Friedensbewegung, die passend die großen Aufgaben skizziert, vor denen DIE LINKE jetzt steht (https://frieden-links.de/2021/10/erklaerung-von-frieden-links-das-debakel-war-vorauszusehen-was-lernen-wir-daraus/).
Hier die Stellungnahme „Das Debakel war vorauszusehen – was lernen wir daraus?“ im Wortlaut: […]
Der Aufruf wurde am 7.10.2021 auch bei Telepolis veröffentlicht.
siehe: https://heise.de/-6211163
Dazu gibt es im Forum zahlreiche Kommentare unterschiedlichster Art. Siehe
https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Das-Debakel-fuer-die-Linke-war-vorauszusehen/forum-482352/comment/
Eine Replik auf die bei Telepolis veröffentlichte Stellungnahme von Frieden-links:
https://www.heise.de/tp/features/Nato-Der-Weltfrieden-ist-ein-nobles-Ziel-6212548.html
Nato: Der Weltfrieden ist ein nobles Ziel
Innenpolitik sticht Außenpolitik: Replik auf Reiner Braun und andere
von Stephan Schleim – Telepolis (8.10.)
Die Friedensfrage ist zu Beginn der 20er Jahre unseres Jahrhunderts wichtiger, als es viele wahrnehmen. Deshalb haben kritische Nuklearwissenschaftler*innen ihre doomsday clock – zu Deutsch: Weltuntergangsuhr auf 100 Sek. vor der Stunde Null vorgestellt. Diese Einstellung symbolisiert die seit Hiroshima größte Gefahr. Die Militärs der Welt geben, wenn man die Zahlen von SIPRI (Schweden) umrechnet, alle circa 4 Stunden eine Milliarde US-$ aus. Zu dieser Zahl muss man die Kriegs- und weiteren Umweltfolgen hinzuzählen. Sicherheitspolitik heißt angesichts dessen Abrüstung und Stärkung der UNO statt der Nato und weiterer Militärpakts. Die Nato ist dasjenige Staatenbündnis, von dessen Gebiet die meisten und massivsten Völkerrechtsverletzungen mindestens seit dem Ende des Kalten Krieges ausgehen. Sicherheit sieht anders aus. Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen die Atomrüstung. Afghanistan lehrt erneut: Kriege enden nicht im Frieden. Im Lebensraum Erde gibt es nur im Frieden Zukunft. Andernfalls kippt das Klima. Die Ökologiebewegung wird sich dieses Zusammenhangs immer klarer, wenn auch die Grünen dagege wirken. Dieses Ausblenden entspricht den Interessen der Militärs, die dafür gesorgt haben, dass die Militäremissionen im Kyoto- und Paris-Prozess unberücksichtigt bleiben – dagegen gibt es diese Petition ‚Stop Excluding Military Pollution from Climate Agreements‘
Das was in dem Artikel steht habe ich mehrfach und regelmäßig seid einigen Jahren der Parteizentrale geschrieben . Die haben wahrscheinlich mehr auf ihre Diäten geachtet und sich im Spiegelglanz von Mitläufern und Abgeordnetenmandaten ihre Aufgabe als Linke Partei aufzutreten und deren Interessen konsequent zu vertreten , vergessen .
An die Mächtigen sich anschleimen wie Kipping und Rexrot hat zu diesem Desaster geführt .
Rainer Leschik