Parteifreunde: Von wegen »Querelen«
Die Zerstrittenheit der Linkspartei hat einen konkreten Grund: das Überlaufen von Teilen der Mitglieder ins Lager der Kriegstreiber
Rede, die Stephan Jegielka als Vertreter des Bundessprecherrats der Kommunistischen Plattform (KPF) innerhalb der Partei Die Linke am 22. April 2023 während der dritten Tagung der 21. Bundeskonferenz der KPF gehalten hat.
Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/449444.parteifreunde-von-wegen-querelen.html (24.4.2023)
Auszüge:
[…] Nach dem Erfurter Parteitag im Juni 2022 gab unsere Partei ein Bild der Zerrissenheit ab, was vom dreisten Auftreten derer noch verschärft wurde, die sich »progressive Linke« nennen; aber auch durch das resignative Verhalten eines Teils des linken Flügels, der die Partei für verloren erklärt. Statt zu arbeiten, wurde und wird von manchen nur noch gejammert und geschimpft. Das ist verständlich, hilft aber nicht weiter. Die Situation auf dem Erfurter Parteitag wurde mit jener der Zustimmung zu den Kriegskrediten 1914 verglichen.
Aber – der Erfurter Parteitag bedeutete nicht die Aufgabe der friedenspolitischen Grundsätze unserer Partei. Denn im entscheidenden Punkt konnten sich die Parteirechten nicht durchsetzen: In der Frage der Waffenlieferungen. Deren fundamentale Bedeutung ging zunächst einmal unter in der berechtigten Empörung über den Grad der von der Parteitagsregie betriebenen Manipulation. Auch neigten nicht wenige Parteilinke dazu, Äußerungen führender Politikerinnen und Politiker der Partei für wichtiger zu halten als die geltende Beschlusslage. Diese Missachtung in harten Auseinandersetzungen errungener Teilerfolge ist ebenso fehl am Platze wie deren Überschätzung. Uns wird voraussichtlich eine Programmdebatte aufgezwungen werden – vermutlich mit dem Ziel, vor den Europawahlen inhaltliche Veränderungen vorwegzunehmen. […]
Bis etwa 2014/2015 drehte sich die Auseinandersetzung um die friedenspolitischen Grundsätze der Partei primär um das Thema der sogenannten Einzelfallprüfung. Deren Befürworter suggerierten, auch sie seien gegen Auslandseinsätze. Irgendwann haben sie dann den Begriff der Kampfeinsätze eingeführt, der die Auslandseinsätze harmloser erscheinen ließ. Aber, so schränkten sie ein, es könne Situationen geben, wo im Einzelfall geprüft werden müsse, so bei Völkermord, ob einem Militäreinsatz nicht aus humanitären Gründen zugestimmt werden müsse. So näherten sie sich unausgesprochen dem Menschenrechtsimperialismus an. Die Einzelfallprüfung erhielt dagegen nie eine Mehrheit auf Parteitagen. […]
Mit dem kryptischen Gerede über Querelen u. ä. kann Stimmung gemacht werden. Stimmungen sind immer eine »gute« Grundlage für Manipulationen. Und die Partei soll manipuliert werden, ja zu sagen zu einem die NATO letztlich bejahenden Kurs. Der Friedensaktivist Jürgen Wagner hat in seinem jüngsten Buch »Im Rüstungswahn. Deutschlands Zeitenwende zu Aufrüstung und Militarisierung« dafür treffende Worte gefunden, indem er ausgehend vom Ukraine-Krieg formulierte, es sei erschreckend, wie angesichts des »zweifelsfrei völkerrechtswidrigen Angriffes (Russlands) bei Teilen der Linken friedenspolitische Vorstellungen wie ein Kartenhaus zusammenbrachen und sie blitzschnell ins Lager der ›eigenen‹ Militaristen überliefen«.
Diejenigen in der Linkspartei, auf die diese Charakterisierung Wagners zutrifft, träumen wohl immer noch von einer Regierungsbeteiligung im Bund, und sei es mit einer Bellizistin wie Baerbock. Über diese Träume – für die Partei sind es eher Alpträume – nähern wir uns dem Zustand, nicht mehr in den Bundestag zu kommen.