Kanzlerschaft mit links
Die Linke hat die Demokratie gerettet, weil sie Friedrich Merz‘ Kanzlerschaft ermöglicht hat. So jedenfalls rechtfertigt sie sich. Diese »linke« Partei ist der größte Etikettenschwindel in diesem Lande überhaupt.
ein Kommentar von Roberto De Lapuente – Overton-Magazin | 9.5.25 |
Auszüge:
Das war die Chance. Friedrich Merz lag am Boden. 6. Mai 2025: Der Mann, der 2018 seine Karriere bei BlackRock aufgab, um offiziell die Union wieder zu mehr Konservatismus zu führen, inoffiziell aber, um zum nächsten Kanzlerkandidaten seiner Partei aufzusteigen, wurde im ersten Wahlgang vom Bundestag nicht zum Bundeskanzler gewählt.
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Es ging um die Rettung der Demokratie – dieser Erklärungsansatz war just in dem Augenblick klar, als dem Beobachter an jenem Tage dämmerte, dass es die Linke sein wird, die die Kanzlerschaft dieses Mannes möglich machen wird. Denn wäre Merz nicht Bundeskanzler geworden, so hieß es plötzlich, dann hätte das die Republik gefährdet. In den Stunden, da Merz in der Luft hing, äußerten sich etliche Bedenkenträger. Aus dem Lager der SPD sprach man von einem Bärendienst für die Demokratie – und Journalisten meldeten, dass sich Europa, ja die ganze Welt wirklich und wahrhaftig um Deutschland sorge. Also musste man jetzt demokratisch vernünftig sein. Zusammenstehen. Carsten Linnemann, Merzens Adlatus, warb dann auch publikumswirksam mit dieser Parole. Plötzlich war nicht mehr Merz in der Bredouille, sondern es drohte eine Staatskrise. Also musste man handeln, einspringen, eben die Demokratie vor ihrem Untergang retten.
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Die Linke hatte die Chance: Sie hätte Friedrich Merz‘ politisches Vabanquespiel beenden können. Ein kurzer Stich – und es wäre so gut wie sicher so viel Schaden für Merz entstanden, dass es für ihn geendet hätte. Das war eine historische Chance. Aber die Linkspartei ist eine Sammelbewegung für politische und ideologische Gruppierungen, die keinen Sinn für historische Zusammenhänge und Denkprozesse aufweisen. Im Gegenteil, die in ihr stark dominierende Identitätspolitik vermag es nicht, in historischen Kategorien zu denken. Eher tendiert sie dazu, Geschichte umzuschreiben, ihr lästige Episoden umzudeuten. Wie sollte man von diesen Leuten erwarten können, dass sie sich der historischen Dimension des 6. Mai 2025 bewusst sind?
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Wann wird Reichinnek und van Aken dämmern, dass sie nicht die Demokratie retteten, sondern das politische Weiterleben jenes Mannes, der nun doch Bundeskanzler wurde? Einen Tag nach seiner Wahl las man in der Welt einen Gastbeitrag des neuen deutschen Regierungschefs und seines französischen Partners Emmanuel Macron. Beide verkünden darin unisono, dass sie einen diktierten Frieden niemals akzeptieren würden. Was ist die Alternative dazu? Letztlich sagen die beiden feinen Herren, sie würden jeden Frieden durch kriegerischen Habitus stören. Taurus zu liefern steht ja immer noch auf der Agenda von Merz.
Wenn er sie liefert und die Ukrainer zerstören die Krim-Brücke mit deutscher Hilfe und die Russen erwidern daraufhin das Feuer und zerstören eine Brücke – nicht die Carolabrücke in Dresden – irgendwo in Deutschland: Wird es den beiden »Linken« dann dämmern, dass sie den Kanzler der Schmerzen verhindern konnten, wenn sie nur gewollt hätten?
Man muss zweifeln, denn – wie gesagt – in historischen Dimensionen denkt diese Linke nicht. Historie ist ihnen lästig, denn sie hassen die Kultur, die die Geschichte über uns alle brachte.
Eine kultur- und geschichtsfeindliche Partei kann sich nicht Linkspartei nennen – denn ihr fehlt grundsätzlich die Dialektik, die notwendig ist, um die Welt zu verstehen. Und Moralismus ist keine Dialektik. Eine Partei allerdings, die den vermeintlichen politischen Kontrahenten beim Aufrappeln hilft, und dessen Unbeliebtheit dann auch noch als Akt der Systemrettung für sich in Anspruch nimmt: Das ist durchaus historisch – und wir werden uns alle lange an diese historische Dummheit zurückerinnern.
Diese Partei, die sich Die Linke nennt, hat in den letzten Jahren auf ganzer Linie versagt. Mit der Installation des Friedrich Merz hat sie aber ihr Meisterstück im Totalversagen abgeliefert. Anders gesagt: Diese »linken« Leutchen sind tatsächlich regierungsfähig. Denn Regieren ist hierzulande nur den Versagern vorbestimmt.