Offener Brief an die Partei Die LINKE
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
uns eint sicher die Vision einer Welt ohne Kriege und Atomwaffen.
Der Weg zu diesem Ziel, für das sich die Friedensbewegung mindestens seit 1945 unermüdlich eingesetzt hat und einsetzt, ist langwierig, kompliziert und sicher auch kontrovers. Das Ziel sollte aber niemals aus dem Auge verloren oder für kurzfristige taktische Überlegungen hinter angestellt werden.
Deshalb haben wir – reagierend auf Äußerungen führender Politikerinnen und Politiker der Partei „Die LINKE.“ – besorgt und auch warnend unsere Stimme erhoben, die im „Erfurter Programm“ festgeschriebenen friedenspolitischen Grundpositionen nicht aufzugeben oder aufzuweichen. Wir sehen darin eine von Solidarität mit linker Politik geprägte kritisch-nachdenkliche Position, die – das zeigt die große Resonanz auf und der Zuspruch für unsere Initiative – von vielen unterstützt und geteilt wird. Dabei haben uns besonders die Reaktionen auch von führenden Personen aus der Partei „Die LINKE.“ gefreut.
Wir möchten mit diesem offenen Brief noch einmal unterstreichen:
Uns geht es nicht um alles und das sofort: wir wissen, dass Friedenspolitik ein langfristiger, aus Etappen und Dynamiken bestehender Prozess ist, und dass sicher nicht am Anfang die Lösung der grundsätzlichsten Fragen steht. Deswegen steht bei uns auch nicht die Auflösung der NATO, so notwendig und dringend sie unter friedenspolitischen Gesichtspunkten angesichts ihrer Kriegspolitik wäre, an erster Stelle eines Sofortprogramms für eine Friedenspolitik, die diesen Namen verdient. Dringend erforderlich ist ein kollektives gegenseitiges Sicherheitssystem in Europa.
Mit der Entwicklung unseres Friedensaktionsprogramms:
https://frieden-links.de/2020/09/erklaerung-frieden-links-de
geht es uns um den Einstieg in den Ausstieg aus der Kriegspolitik hin zu einer Friedenspolitik oder anders ausgedrückt, wie kann die Kriegslogik, die die Politik der Bundesregierung spätestens seit dem illegalen Jugoslawienkrieg bestimmt, durch eine Friedenslogik, die Elemente der Willy Brandt’schen Entspannungspolitik wieder aufnimmt, abgelöst werden.
Zwei Punkte scheinen uns dabei absolut zentral:
- Eine Friedens- und Entspannungspolitik mit Russland. Eine solche Politik der gemeinsamen Sicherheit mit Russland ist nicht die Unterstützung der Regierungspolitik Russlands, sondern eine Politik des Dialoges, der Zusammenarbeit der Kooperation, des gegenseitigen Verständnisses und der Abrüstung. Diese ist unverzichtbar, wenn nicht ein weiterer -dieses Mal atomarer- Krieg wie ein Damoklesschwert über Europa schweben sollen. Alle Stimmen, die es leider immer wieder in der Partei „Die LINKE.“ gibt, eine solche Politik abzulehnen sind Grüne Reaktionäre im linken Gewand (Josef Fischer lässt grüßen). Die Solidarität sollte all den Politikerinnen und Politikern der LINKEN. gehören, die eine Kooperation mit Russland immer wieder einfordern und durch eigenes praktisches Handeln auch realisieren. Ihre Diffamierung muss offensiver zurückgewiesen werden.
- Abrüstung als strategisches Kettenglied. Dabei geht es erstens um effektive Abrüstungsschiritte, d.h. 10% pro Jahr sollten es mindestens sein und zu Abrüstung gehört untrennbar der Abzug aller deutschen Soldaten aus den Interventionsländern, und zwar in einem kurzen Zeitraum und unabhängig von internationalen Absprachen alleine auf der Grundlage eines Bundestagsbeschlusses und einseitig.
Wir wissen, dass die von uns im Friedensaktionsprogramm beschriebenen Kernforderungen nicht nur parlamentarisch oder durch eine Regierung erreicht werden können, sondern eine enge Zusammenarbeit zwischen außerparlamentarischem und parlamentarischem Handeln erfordert. Die Friedensbewegung wird dazu sicher ihren aktiven Beitrag leisten – wie vielen andere auch, steht doch die große Mehrheit der Bevölkerung unserem Friedensaktionsprogramm näher als der Kriegspolitik aller Bundesregierungen seit 1998.
Dieser Friedenssehnsucht bzw. diesem Friedenswunsch zum gesellschaftlichen und politischen Durchbruch zu verhelfen, sollte sicher unser gemeinsames Anliegen sein.
Wir sollten damit auch nicht bis zu den nächsten Wahlen warten, sondern gemeinsam alles tun, den 5.12., den Aktionstag für Abrüstung der Initiative „abrüsten statt aufrüsten“, gemeinsamen erfolgreich gestalten.
Wahlen sind wichtig, als Ausdruck gesellschaftlicher Kräftekonstellationen und zur möglichen Gestaltung der Zukunft, aber Wahlen, die von Links gewonnen werden sollen, brauchen gesellschaftlich aktive Bewegung – auch und erst recht für Frieden und Abrüstung.
Darüber weiter zu diskutieren und effektiver zu wirken, dazu sind verstärkte politische Diskussionen sicher notwendig – wir freuen uns darauf.
Mit friedlichen Grüßen
Reiner Braun, Berlin, International Peace Bureau, Kampagne Stopp Airbase Ramstein
Kristine Karch, Düsseldorf, Co-Sprecherin des internationalen Netzwerkes ‚No to war-no to NATO‘
Ekkehard Lentz, Bremen, Sprecher Bremer Friedensforum
Pascal Luig, Berlin, NaturwissenschaftlerInnen-Initiative, Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit e.V. (NatWiss)
Willi van Ooyen, Frankfurt/M. Aktivist der Friedens- und Sozialforumsbewegung, Bundesauschuss Friedensratschlag, Ostermarschbüro
Karl Heinz Peil, Frankfurt/M. Friedens- und Zukunftswerkstatt e. V., verantwortlicher Redakteur des ‚Friedensjournal‘
Prof. Dr. Werner Ruf, Edermünde, Kasseler Friedensforum
Bernhard Trautvetter, Essen, Mitbegründer Netzwerk Schule ohne Bundeswehr NRW, Sprecher Essener Friedensforum, VVN-BdA, GEW