Ukraine-Krieg: Offene Fragen oder erbitterte Kontroversen?
Plädoyer für die Beibehaltung eines kühlen Kopfs bei brennenden Themen
aus dem «Gesprächskreis Friedens- und Sicherheitspolitik» der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Detlef Bimboes, Wolfgang Gehrcke , Angelika Haas, Karin Kulow, Norman Paech, Christiane Reymann, Werner Ruf, Arne Seifert, Jochen Scholz, Achim Wahl (17.7.2023)
Der Veröffentlichung auf der Homepage folgte umgehend eine Replik von Jan van Aken: Auf dem russischen Auge blind (21.7.2023)
Auszug:
[…] Wir hatten eingangs die Frage nach Erklärungen aufgeworfen, warum links verortete Politiker*innen einen Seitenwechsel von Ablehnung der NATO und von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete auf Zustimmung zu beidem und zur Selenskyj-Formel von einem Siegfrieden vollzogen haben. Das mag an einer Einschätzung des Charakters des Krieges liegen. Er wird als «innerimperialistisch» bezeichnet, wobei der eine Imperialismus genauso verwerflich sei wie der andere. Er wird personalisiert als Putins Krieg, obwohl doch allseits aus der Friedens- und Konfliktforschung bekannt ist, dass Personalisierungen lediglich ein Feindbild schüren, statt den Boden für Konfliktlösungen zu bereiten. Einmal beim Feindbild gelandet, wird es ausgemalt etwa als «paranoid anmutende Positionen Putins und Lawrows», deren Einlassungen zudem mit der Hybris verbunden (seien), «dass man sich dem westlichen Kolonialismus als Retter der Menschheit entgegenstellen müsse. Verfolgungswahn mischt sich mit Größenwahn.»[60] Ohne es explizit aussprechen zu müssen, liegt die Schlussfolgerung auf der Hand: Mit Wahnsinnigen kann man nicht verhandeln.
Die Alternative dazu ist, auf die Kräfte des Friedens zu schauen: Druck auf Verhandlungen, Stopp jeglicher Waffenlieferungen aus Deutschland in die Ukraine. Die NATO-Länder haben ihre potenziellen Vermittlungsrollen verspielt. Deshalb Unterstützung und Verbreitung von zivilgesellschaftlichen Initiativen aus anderen Ländern, wie jüngst den bemerkenswerten Appell «The U.S. Should Be a Force of Peace in the World»,[61] den hochrangige US-Diplomat*innen, Sicherheitsexpert*innen und ehemalige Militärs als ganzseitige Anzeige in der New York Times veröffentlichten, und der Initiativen des Papstes sowie von Regierungen aus Afrika, Brasilien, China. Und: Basisarbeit, aufklären, miteinander reden, raus auf die Straße, Politik aus den Hinterzimmern der Macht in die Öffentlichkeit holen.