Zwischen Wahlerfolg und Krise – Selbststrangulation der Linken
von Armin Bernhard – Quelle: Hintergrund (3.3.25)
Die Partei „Die Linke“ bewegt sich in einem Zirkel der Gewissheit. Sie sieht sich auf der richtigen Seite und bekämpft alle, die anderer Meinung sind als sie. Dass sie sich dabei auf der Seite der Herrschenden wiederfindet und keine eigene Vorstellung einer neuen Gesellschaft mehr entwickeln kann, fällt dieser Linken nicht auf. Eine Analyse im Angesicht der Bundestagswahl, die aber weit darüber hinaus geht.
Auszüge:
In sämtlichen Großkonflikten wie dem Ukraine-Konflikt, der ‚Corona-Krise‘, der Migration hat die Linkspartei kläglich versagt (vgl. Brie 2024; Lieberam 2024a). Wo sie an Regierungen beteiligt war, wie etwa in Berlin, hat sie eine katastrophale neoliberale Politik unterstützt.
Eine eindeutig friedenspolitische Position ist nicht mehr erkennbar, stattdessen wurde und wird immer wieder eine sukzessive Annäherung an die NATO empfohlen, steht doch die Forderung nach einem Austritt aus dieser Militärorganisation einer möglichen Regierungsbeteiligung im Wege. Man erinnere sich daran, dass Linke wie Katja Kipping oder Christoph Spehr diese Forderung nach einem NATO-Austritt torpedieren, die NATO gar als notwendigen Bestandteil einer internationalen Friedensordnung (Spehr) sehen!
Die Linke trifft das gleiche ‚Schicksal‘ wie einst die Grünen, die nach der Entsorgung ihres ökosozialistischen Flügels sich immer stärker und rasanter an die bestehende Gesellschafts- und Herrschaftsordnung anpassten. Anstatt eigene gesamtgesellschaftliche Alternativen zu entwickeln, klebt die Linkspartei bis heute wie eine Klette an rot-grüner Ideologie, unterscheidet sich kaum noch von den Konzepten der Regierenden. Deren Schlagwörter wie frühkindliche Bildung, Inklusion, Klimaneutralität, sozialökologische Umbau, Nachhaltigkeit, gendergerechte Sprache, um nur einige wenige zu nennen, werden nicht mehr auf ihre Herkunft untersucht, sondern kritiklos angeeignet und in die eigene Programmatik übernommen.
Die erste und größte Baustelle: Es fehlt dieser Linken jegliche politische Vision, eine reale Utopie, eine Idee, die über die Grenzen der bestehenden Gesellschaft hinausführen könnte. Sie verfügt nicht über einen Geist des Bruchs und der Unterscheidung!
Ungeschminkt muss angesichts dieser nur unvollständigen Auflistung von Baustellen von einem linken Desaster gesprochen werden. Daran ändern auch die Zugewinne bei der letzten Bundestagswahl nichts. Linke Häme angesichts des Scheiterns des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) an der Fünfprozentklausel verbietet sich, sind für die Linke durch die selbstverschuldete Abspaltung doch herausragende kritische Köpfe wie Sevim Dağdelen, Andrej Hunko, Fabio de Masi, Amira Mohamed Ali, Sahra Wagenknecht etc. verloren gegangen. Ungewiss bleibt, auf welche Weise die skizzierten Baustellen, von denen einige durchaus hausgemacht sind, aufgehoben werden können.
Die Rückbesinnung auf die klassischen Themen linker Politik: der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, die krassen Gegensätze von arm und reich, Armut und Unterernährung, der Antagonismus zwischen Kapitalismus und Ökologie wäre eine Bedingung. Eine konsequente Friedenspolitik gegen Kriegsertüchtigung, Waffenexporte und Feindbildkonstrukte die andere.
Der „Geist des Bruchs und der Unterscheidung“ müsste wieder deutlich werden. Insbesondere wäre die erwähnte Entfremdung von der lohnabhängigen Bevölkerung zu überwinden und eine vernünftige Migrationspolitik anzustreben, die den sozialen Verwerfungen den Boden entzieht. Als allererstes aber wäre der Zirkel der Gewissheit aufzubrechen, weil nur durch die Überwindung seiner Barrikaden die Linke wieder entwicklungsfähig werden kann.