Zur aktuellen Entwicklung um die Partei DIE LINKE Update
siehe auch: https://wastun.net
Inhalt
- Niedergang der Linkspartei: »Das ist alles schon mehr NGO als Partei«
- »Die Linke wird mit DKP und MLPD um Relevanz kämpfen«
- Bündnis Sahra Wagenknecht: Auf dem Weg zur Partei neuen Typus
- Links und populär – Das Parteiprojekt Wagenknecht
- Mitglieder der Linken, ehemalige Mitglieder und Aktivisten wenden sich gegen Abgabe der Mandate.
Niedergang der Linkspartei: »Das ist alles schon mehr NGO als Partei«
Hessen: Linke-Landesverband bleibt auch nach Landtagswahl parlamentsfixiert. Ein Gespräch mit Julian Eder – von Nico Popp
Quelle: Junge Welt | 16.12.2023
Link: https://www.jungewelt.de/artikel/465345.niedergang-der-linkspartei-das-ist-alles-schon-mehr-ngo-als-partei.html
Auszüge:
Die Lage verschlechtert sich von Monat zu Monat. Das im Oktober war eine bittere Wahlniederlage, die aber im Grunde so absehbar war. In diesem Zusammenhang hat sich erneut gezeigt, dass der Partei die Analysefähigkeit abhanden gekommen ist. […]
Die Arbeiterklasse will nicht die »besseren Grünen« wählen. Und wenn wir dann eine Ex-Grüne aufstellen, die erst im Moment der Aufstellung zu uns übergelaufen ist, gewinnen wir damit nicht einen Wähler aus der Arbeiterklasse. Im Gegenteil. […]
Der gastgebende Kreisverband Wetterau hatte zur Begrüßung eine Rede vorbereitet, in der klar gesagt wurde, dass die Stärke der Linken immer war, die Verhältnisse zu analysieren, statt sich von Zeitgeist und bürgerlichen Medien treiben zu lassen. Dass wir einmal wussten, dass Kriege mit dem Kapitalismus zusammenhängen, also die soziale Frage und die Friedensfrage zusammengehören. Da gab es dann eine Retourkutsche in der Generaldebatte, in der gleich die erste Rednerin die Friedensbewegung als »rechtsoffen« und prorussisch attackiert hat. Das wäre so früher bei einem hessischen Landesparteitag nicht vorstellbar gewesen. […]
Wir beobachten natürlich, wie sich die neue Wagenknecht-Partei inhaltlich aufstellt und werden an einigen Stellen auch mit ihr zusammenarbeiten. Bei dem »Was tun?!«-Kongress kürzlich waren viele Genossen aus Hessen, auch solche, die bislang nicht in unserem Zusammenschluss mitgearbeitet haben. Das zeigt, dass die Unzufriedenheit sehr groß ist und über Konsequenzen diskutiert wird. Ob es in Hessen sofort viele Übertritte zu der neuen Partei geben wird, kann ich nicht sagen. Es wird Abgänge geben, eine Austrittswelle wäre keine Überraschung. Für die Stärkung der Friedensbewegung und die Interessen der arbeitenden Klasse müssen Linke in beiden Organisationen kämpfen.
»Die Linke wird mit DKP und MLPD um Relevanz kämpfen«
Die Linkspartei bricht auf – sagt sie. Ihre Kritiker sagen: Sie bricht – mit linken Ideen und auseinander.
Roberto De Lapuente hat sich mit Bijan Tavassoli unterhalten.
Quelle: Overton-Magazin | 15.12.2023
Link: https://overton-magazin.de/dialog/die-linke-wird-mit-dkp-und-mlpd-um-relevanz-kaempfen/
Auszüge:
[…] Wer glaubt, dass man die tiefliegenden Probleme der Partei durch eine neue Corporate Identity lösen könnte, hat den Schuss doch nicht gehört. Ohne ihre klügste Denkerin und beste Rednerin wird Die Linke bald mit DKP und MLPD um Relevanz kämpfen – wobei diese beiden Parteien immerhin Inhalte und Positionen vorweisen können, die man im Zickzack-Kurs der Linken-Parteiführung spätestens seit Corona und der Ukraine völlig vermisst. […]
Aktuell herrscht im Führungszirkel der Partei völlige Planlosigkeit. Mit kopflosen Aktionen wie einem neuen Corporate Design soll Aufbruchstimmung künstlich vermittelt werden. Nur Aufbruch in welche Richtung? Grün gefärbte Verbalradikalität oder pragmatisch ostdeutsche Interessenvertretung? Diese Widersprüche spitzen sich nun eher zu, als dass sie geklärt würden. […]
Der freundliche Handschlag Schirdewans mit Selenskyj in Brüssel sah auf den ersten Blick doch nach einer friedlichen Geste aus. Das sich dahinter die Zustimmung des Parteivorstandes zur NATO-Aufrüstungspolitik und sogar zu den einst so pazifistisch vehement abgelehnten Waffenlieferungen in Kriegsgebiete versteckte, sah man erst bei genauerem Blick auf das Abstimmungsverhalten in Bundestag und Europaparlament. Das Angebot, gemeinsam am 25. November für Frieden zu demonstrieren, hatten Gysi und Bartsch zunächst angenommen, schickten dann aber, an ihrer statt, nur einen Hinterbänkler – und die Partei mobilisierte absichtlich nicht, aus pathologischer Angst, ein Wiedererstarken der Friedensbewegung würde Sahra nur in die Hände spielen. […]
Bündnis Sahra Wagenknecht: Auf dem Weg zur Partei neuen Typus
Wird die neue Partei eine Alternative für Linke? Ist es von Nachteil, dass sie mit einer Person steht und fällt? Unser Autor hat dazu eine klare Meinung.
von Andreas Wehr – Telepolis (30.10.2023)
Quelle: Telepolis – 30.10.2023
Link: https://www.telepolis.de/features/Buendnis-Sahra-Wagenknecht-Auf-dem-Weg-zur-Partei-neuen-Typus-9348972.html
Auszug:
Die neue Partei wird eine sein, die allein mit einer Person – Sahra Wagenknecht – steht und fällt. Diese Abhängigkeit ist aber die typische Konstellation, die zu den jüngsten politischen Umbrüchen in Europa geführt hat. Die spanische linkspopuläre Podemos war im Wesentlichen ein Geschöpf Pablo Iglesias‘, der wie Wagenknecht erst durch die Medien, durch Interviews und Talkshows bekannt wurde. Nicht anders verlief der Aufstieg von La France Insoumise. […]
Allein auf eine Person fokussierte Parteien sind gegenwärtig wendig und flexibel genug, um über die Medien ausreichende Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Nun ist mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht dieses Muster auch in Deutschland angekommen. Man mag das bedauern oder nicht, es ist jedoch eine Tatsache, dass die von vielen Linken so sehr herbeigesehnte Entstehung einer von unten aufwachsenden neuen linken Partei nur eine schöne Hoffnung ist.
Die neue Partei wird eine Kaderpartei sein, denn die ihr alles andere als wohlgesonnenen politischen Konkurrenten sowie die Medien werden nur darauf warten, darin Mitglieder ausfindig zu machen, denen man einen rechten Hintergrund nachweisen kann. Deshalb wird man sich jeden neuen Bewerber genau ansehen. Auch kann man mit dem parteirechtlich möglichen Mittel einer Probemitgliedschaft arbeiten.
Wer das für eine Zumutung hält, sollte sich klarmachen, dass sich die neue Partei von Beginn an in einer äußerst feindlichen Umgebung behaupten muss, in der ihr sehr schnell die heute so modisch gewordenen Vorwürfe der „Rechtsoffenheit“ und sogar der „Querfront“ angehängt werden können. Wahrscheinlich wird die Partei deshalb mit nur wenigen Mitgliedern starten und auf absehbare Zeit auch keine breite Mitgliederpartei werden. […]
So manche Erwartung von Unterstützern des Wagenknecht-Projekts, in der neuen Formation nun endlich all das unterbringen zu können, was man in anderen Parteien nie durchsetzen konnte, wie etwa die Verankerung weitreichender sozialpolitischer oder ökologischer Forderungen, wird sich nicht erfüllen. Wer sich für die neue Partei interessiert, tut daher gut daran, das Buch [„Die Selbstgerechten“] vorher aufmerksam zu lesen.
Links und populär – Das Parteiprojekt Wagenknecht
Mit der Vorstellung eines Vereins als Vorläufer für die Parteigründung haben Sahra Wagenknecht und ihre Anhänger den Bruch mit der Partei DIE LINKE offiziell vollzogen. Unter der Oberfläche der in solchen Scheidungsfällen üblichen Scharmützel liegen tiefgehende politische Veränderungen, auf die das Projekt zu reagieren versucht.
Von Peter Wahl
Quelle: Makroskop – 26.10.2023
Link: https://makroskop.eu/35-2023/links-und-popular-das-parteiprojekt-wagenknecht/
Auszug:
Sahra Wagenknechts strategischer Ansatz beruht auf drei Kerngedanken. An erster Stelle steht der Niedergang der Partei DIE LINKE. […] Besonders dramatisch sind die Verluste bei der traditionellen Basis. Infratest zufolge sank der Stimmanteil bei Arbeitern von 2009 bis 2021 von 18 auf 5 Prozent, bei Angestellten von 11 auf 5 Prozent und bei Arbeitslosen von 25 auf 12 Prozent. In ihrem jetzigen Zustand ist ein Ende des Abstiegs nicht absehbar – auch für die Post-Wagenknecht-Zeit.
Der dramatische Einbruch trifft zweitens auf ein Knäuel multipler Krisen und Umbrüche, die eine starke linke Kraft eigentlich dringend gebrauchen könnten. Dazu gehören der ökologische Umbau mit seinen Risiken für Wirtschaft und Gesellschaft, die komplexen Herausforderungen der Digitalisierung, Verfallserscheinungen bei öffentlichen Dienstleistungen und andere Verwüstungen neoliberaler Politik. Dazu kommen Flucht und Migration, die Dauerkrisen der EU und last not least epochale Veränderungen im internationalen System, deren extremster Ausdruck die Kriege in der Ukraine und Nahost sowie ein Kalter Krieg 2.0 sind.
All dies führt drittens zu enormer Verunsicherung, Ängsten und Unzufriedenheit bei vielen Menschen. Sie verlieren das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Politik. Das schlägt sich unter anderem in Protestwahlverhalten zugunsten der AfD nieder. Die Politikwissenschaft spricht von einer Krise der Repräsentation und – daraus resultierend – einer Repräsentationslücke. […]
Mitglieder der Linken, ehemalige Mitglieder und Aktivisten wenden sich gegen Abgabe der Mandate.
Programms von 2011 soll vertreten werden. Hier der Appell im Wortlaut. Unterzeichnet ist das Schreiben, das Telepolis und der Berliner Zeitung vorab vorlag, unter anderem von dem Kassler Politikwissenschaftler und Friedensforscher Werner Ruf sowie dem Leipziger Linken-Politiker Volker Külow.
Quelle: Telepolis – 23.10.2023
Link: https://www.telepolis.de/features/Appell-an-Ex-Linken-Abgeordnete-Mandat-weiter-ausueben-9341044.html
Auszug:
Die Führung der Linken und ihr Funktionärskader haben viele Positionen dieses Programms verlassen, auf dessen Grundlage wir diese Partei gegründet haben bzw. in sie eingetreten sind. Das ist ein entscheidender Grund dafür, dass die Partei nicht nur einen rekordverdächtigen Aderlass an Wählern zu verzeichnen hat, besonders an das Nichtwählerlager, sondern auch einen Rekord an Austritten. Es fehlt eine wirkliche linke Kraft, die konsequent für Frieden, Völkerverständigung, soziale Gerechtigkeit, für Meinungsfreiheit und demokratische Mitgestaltungsmöglichkeiten und gegen Kapitaldominanz wirkt.
Denn nicht die Ziele des Erfurter Parteiprogramms, das maßgeblich von Oskar Lafontaine mit geprägt wurde, sind schuld an der derzeitigen Misere, sondern die Abwendung entscheidender Teile der Nomenklatur der Linken, die heute in und mit ihr Politik und Karriere zu machen versuchen.